Insolvenzanfechtung

Die Insolvenzanfechtung

Definition, Ziele, Voraussetzungen, Fristen, Anfechtungsgründe und Schutzmöglichkeiten

Da ein Insolvenzverfahren alle Gläubiger eines Schuldners gleichermaßen befriedigen soll, gilt mit seiner Eröffnung der Grundsatz der Gleichbehandlung. Eine wichtige Rechtshandlung zur Einhaltung des Gläubigergleichbehandlungsgebotes ist die in den §§ 129 ff. der Insolvenzordnung (InsO) geregelte Insolvenzanfechtung.

Was ist eine Insolvenzanfechtung?

Bei einer Insolvenzanfechtung beanstandet der Insolvenzverwalter im Vorfeld des Verfahrens vom Schuldner getätigte Vermögensverschiebungen und verlangt diese vom entsprechenden Gläubiger zurück. Zu den betroffenen Gläubigern können beispielsweise Geschäftspartner, die Mitarbeiter des Schuldnerunternehmens, Gesellschafter, Angehörige und andere nahestehende Personen des Schuldners sowie seine Vertretungsberechtigten, Banken und Gerichtsvollzieher zählen.
Neben Geldzahlungen kann eine Insolvenzanfechtung auch Vermögensgegenstände wie Immobilien, Grundstücke, Flugzeuge und sogar Verträge betreffen.

Ziele der Insolvenzanfechtung

Eine Insolvenzanfechtung zielt auf die Gleichbehandlung aller Gläubiger ab. Dementsprechend können Handlungen angefochten werden, welche die Insolvenzmasse verkleinern. Dadurch soll verhindert werden, dass bestimmte Insolvenzgläubiger, etwa durch enge Beziehung zum Insolvenzschuldner oder früheren Kenntnisgewinn über die drohende Zahlungsunfähigkeit, Vorteile erlangen und somit gleichzeitig zur Benachteiligung anderer Gläubiger beitragen. In diesem Fall kann unter bestimmten Umständen ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorliegen.

Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung

Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung sind:

    • Eröffnung des Insolvenzverfahrens:
      Nur der Insolvenzverwalter, nicht aber ein vorläufiger Insolvenzverwalter, ist nach § 129 InsO zur Anfechtung berechtigt
    • Vorliegen einer Rechtshandlung vor Verfahrenseröffnung, die eine Gläubigerbenachteiligung zur Folge hat:
      Diese liegt beispielsweise vor, wenn die Aktivmasse vermindert oder die Passivmasse vermehrt wird. Unter Aktivmasse versteht man das Vermögen des Schuldners, unter Passivmasse die Forderungen gegen das Schuldnervermögen bzw. die Insolvenzmasse.
    • Vorliegen eines oder mehrerer Anfechtungsgründe

Fristen

Die Anfechtungsfrist beginnt nach § 139 Abs. 1 InsO mit Eingang des Insolvenzantrags beim Insolvenzgericht.
Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs richtet sich laut § 146 InsO nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch – konkret dem § 195 Abs. 1 BGB – und beträgt daher drei Jahre. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Insolvenzverwalter von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.

Anfechtungsgründe

Unter folgenden Bedingungen kann der Insolvenzverwalter die getätigten Vermögensverschiebungen im Rahmen einer Insolvenzanfechtung zurückfordern:

  • Kongruente Deckung nach § 130 InsO
    Wusste der Gläubiger über die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners Bescheid, ist eine Rechtshandlung anfechtbar, wenn sie in den drei Monaten unmittelbar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder sogar noch nach Eröffnung vorgenommen wurde. Dabei zählt das Datum des Geldeingangs. Bei nahestehenden Personen liegt grundsätzlich eine Vermutung vor, dass der Gläubiger von der Zahlungsunfähigkeit wusste.
  • Inkongruente Deckung nach § 131 InsO
    Erhielt der Gläubiger eine Leistung, obwohl diese ihm überhaupt nicht, nicht in der Art oder nicht zu diesem Zeitpunkt zustand, liegt eine Inkongruenz vor. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Zahlung einer bereits verjährten Forderung oder die Leistung in Form eines gleichwertigen Gegenstandes an Stelle einer Geldzahlung.
    Ebenfalls von diesem Paragraphen betroffen sind laut Ansicht des Bundesgerichtshofs Zwangsvollstreckungen, nicht fällige Zahlungen und allgemein Zahlungen unter Druck an institutionelle Gläubiger wie Finanzämter und Sozialversicherungsträger sowie an vollstreckende Privatpersonen. Eine Rechtshandlung ist anfechtbar, wenn sie
    1. im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag oder danach getätigt wurde
    2. innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Insolvenzverfahren getätigt wurde und beim Schuldner die Zahlungsunfähigkeit vorlag oder
    3. innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens getätigt wurde und dem Gläubiger zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass daraus eine Benachteiligung der anderen Gläubiger resultiert
  • Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen nach § 132 InsO
    Eine Rechtshandlung kann angefochten werden, wenn
    1. sie in den drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag des Insolvenzverfahrens oder danach getätigt wurde
    2. der Schuldner zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war und dies bekannt war
    3. eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vorliegt
  • Vorsätzliche Benachteiligung nach § 133 InsO
    Eine Rechtshandlung ist anfechtbar, wenn der Schuldner
    1. sie in den zehn Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahren oder danach vorgenommen hat
    2. der Vorsatz einer Benachteiligung der Gläubiger vorlag
    3. der bevorteilte Schuldner davon wusste
    Beide Parteien müssen hierbei nicht unbedingt zusammengewirkt haben. Der Zeitraum verkürzt sich auf vier Jahre, wenn der Gläubiger hierdurch eine Befriedigung oder Sicherung erhielt. Rechtshandlungen durch Dritte zählen nicht dazu.
  • Unentgeltliche Leistung nach § 134 InsO
    Eine unentgeltliche Leistung eines Schuldners ist anfechtbar, wenn sie in den letzten vier Jahren vor Einleitung des Insolvenzverfahrens getätigt wurde. Gelegenheitsgeschenke mit geringem Wert sind hiervon ausgeschlossen.
  • Gesellschafterdarlehen nach § 135 InsO
    Bei Darlehen handelt es sich grundsätzlich um Fremdkapital. Deshalb können diese unter bestimmten Umständen zur Überschuldung der Gesellschaft führen.
    Sicherheiten, die für ein Gesellschafterdarlehen gestellt wurden, können bis zu einem Zeitraum von 10 Jahren vor Einreichung des Insolvenzantrags angefochten werden. Weiterhin sind solche Rechtshandlungen anfechtbar, durch die
    1. Gesellschafterdarlehen im Zeitraum von einem Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags befriedigt wurden.
    2. Darlehensforderungen eines Dritten innerhalb von einem Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags durch die später insolvente Gesellschaft zurückgeführt werden, wenn für diese Darlehensforderung eine Sicherheit bestellt wurde oder ein Gesellschafter als Bürge haftete
  • Stille Gesellschaft nach § 136 InsO
    Eine Rechtshandlung, durch die einem stillen Gesellschafter die Einlage ganz oder teils zurückgewährt wird, ist anfechtbar, wenn eine Vereinbarung über die Rückgewähr im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens getroffen wurde.
    § 136 InsO ist nicht anwendbar, wenn die Einlage wegen Kündigung zurückgezahlt wird. Bei Eintreten der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft nach Vereinbarung, ist ebenfalls die Anfechtung unzulässig.

Schutz vor Insolvenzanfechtung – das Bargeschäftsprivileg

Eine Verteidigungsmöglichkeit bieten unter bestimmten Umständen die Bargeschäfte nach § 142 InsO. Diese können im Regelfall nicht angefochten werden.
Ein Bargeschäft liegt vor, wenn eine das Vermögen nicht wirtschaftlich vermindernde Leistung des Schuldners zeitnah durch eine gleichwertige Gegenleistung ausgeglichen wird. Entscheidend ist hier die Zeitspanne zwischen den Leistungserbringungen, die je nach Art des Geschäfts zwar variieren kann, 30 Tage allerdings nicht überschreiten sollte.
Das Bargeschäft ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO vorliegen, der Schuldner unlauter handelt und der Empfänger dies erkennt.

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